Das Weißkraut gehört zu den ältesten Kulturpflanzen der Region und wurde bereits im 18. Jahrhundert in unserer Region angebaut. Speziell Kraut war über Jahrhunderte ein wichtiges Grundnahrungsmittel und diente auch als Handelsware zur Sicherung der Existenz. Der Schlammsandboden, den einst der Rhein anschwemmte, bot und bietet dem Kraut ideale Bedingungen zum Wuchs. Die Krautbauern besuchten die Märkte der Region und fuhren mit den hoch beladenen Leiterwagen bis ins hintere Kinzigtal, um die begehrten Krautköpfe zu verkaufen.
Insbesondere nach dem 2. Weltkrieg war Kraut bei den Stadt- und Landbewohnern begehrt und so wurde, um den Bedarf zu befriedigen, eine Sauerkrautfabrik gegründet. In nahezu jedem Keller stand bis vor wenigen Jahren das „Surkrutständel“, ein Holz- oder Steintrog in den das Sauerkraut eingehobelt und mit Salz für den Eigenbedarf haltbar gemacht wurde. Aus der langen Tradition des Krautanbaues heraus nannte man die Goldscheurer, Marlener und Kittersburger im Volksmund „d’Krutkepf“.
In den Wirtschaftswunderjahren übernahmen Vorstandsmitglieder der Sportfreunde ab dem Jahre 1950 die Organisation des örtlichen Fastnachtsumzuges und richteten Fastnachtsveranstaltungen aus. Aus diesem Kreis entstand 1960 die Narrengilde, im Jahre 1965 der Narrenrat.
Man war bestrebt aus der losen Gemeinschaft einen Verein zu gründen, der die örtliche Fastnacht und deren Brauchtumspflege zum Inhalt haben sollte. So gründeten der Narrenrat und Narrenfreunde aus allen Ortsteilen, im Jahre 1972, im Gasthaus „Löwen“ in Goldscheuer, die Narrenzunft „Krutblättsche“. Der Name war Synonym für die Krautblätter des Weißkrautes und deren historischer Bedeutung für unsere Region. Rechtzeitig zur Fastnacht wurde erstmals im Jahre 1974 ein Kostüm in Form eines überdimensionierten Krautkopfes mit Zylinder getragen. Dieses eindrucksvolle „Häs” war aber etwas unförmig und schwierig zu transportieren.
Zur gleichen Zeit entstanden auch die Kunstfiguren „Kresenz“ und der „Bonifaz“, die eine Krautbäuerin und einen Krautbauer symbolisierten. Der Narrenrat wurde mit einer grünen Uniform sowie einem Hut eingekleidet, um die Zunft entsprechend repräsentieren zu können. Im gleichen Jahr wurde der erste Zunftball mit Wort-, Pantomimen- und Gesangsbeiträgen im Gasthaus „Rheinlust“ in Goldscheuer abgehalten.
Ein Vereinsheim stand schon lange auf der Wunschliste der Aktiven und konnte im Jahre 1979 verwirklicht werden. Ein kleiner Kellerraum in der alten Schule in Goldscheuer wurde in Eigenarbeit vergrößert und ausgebaut, der „Narrenkeller“ der Narrenzunft „Krutblättsche“ war entstanden und wurde 1981 eingeweiht.
Bald stellte sich heraus, dass das 1974 geschaffene Häs auf Dauer zu unförmig war. So wurde es im Jahre 1980 durch ein neu geschaffenes Häs mit aufgenähten Krautblättern, den so genannten „Krutblättsche” sowie einer Holzmaske aus Lindenholz geschaffen. Zum „Häs“ gehört zudem noch eine „Rätsche“, gefertigt aus Holz.
Im gleichen Jahr (1980) wurde erstmals im September, außerhalb der Fastnacht, das Surkrutfeschd veranstaltet, das regionale Sauerkrautspezialitäten bietet und schnell zum Besuchermagneten aus nah und fern wurde. Was ursprünglich als eintägige Veranstaltung recht bescheiden begann, ist mittlerweile das größte jährlich stattfindende Fest in Goldscheuer. Der dritte Sonntag im September, dies ist ein fester Begriff für das Surkrutfeschd.
Da auch an diesem Fest der Kostendruck nicht vorbeiging, wurde es erforderlich, einen Partner mit ins Boot zu nehmen. Seit einigen Jahren wird daher das Festzelt auch von der Groß Herd (närrischer Verein der Gemeinde Goldscheuer) genutzt, die am Vorabend des Surkrutfeschd ihr Oktoberfest abhält. Gemeinsam wird das Zelt auf- und wieder abgebaut, man teilt sich die Kosten, wirtschaftet jedoch in getrennte Kassen.
Bei der Gründungsversammlung des Ortenauer Narrenbundes (ONB) am 31.01.1981 ist auch die Narrenzunft Krutblättsche dabei und trägt die Geschicke des Verbandes mit, so auch die Pflege der Gemeinschaft mit gegenseitigen Besuchen nicht nur zu Jubiläen.
Zum 33-jährigen Jubiläum im Jahre 2005 wurde durch die Krutblättsche ein neues Highlight für die Fastnacht in Goldscheuer geschaffen. Am Fastnachtsfreitag wurde ein großer Jubiläumsumzug veranstaltet, zu der viele befreundete Zünfte angereist kamen. Die anschließende Bewirtung wurde durch mehrere örtliche Vereine durchgeführt, die auf dem Parkplatz der Sporthalle ein imposantes Zeltdorf erstellt hatten. Für Kurzweil sorgte auch ein buntes Programm in der Halle.
Was zunächst als einmalige Veranstaltung gedacht war, schlug jedoch so hohe positive Wellen sowohl bei den Gästen, den Zuschauern und nicht zuletzt den wirtenden Vereinen, dass dieser Nachtumzug mittlerweile im 2-jährlichen Turnus abgehalten wird. Als Veranstalter zeichnen hierbei die Narrenzunft Krutblättsche, und die Groß Herd verantwortlich. Auf Gastgeschenke wird bewusst verzichtet, eher freut man sich über Spenden, die dann in der Ortschaft verwendet werden. Also unbedingt vormerken: Nachtumzug immer im ungeraden Kalenderjahr und immer am Fastnachtsfreitag!
Im Jahre 2016 konnten wir unser 44-jähriges Jubiläum mit einer dreitätigen Veranstaltung begehen. Mit einem Jubiläumsabend am Freitag läuteten wir unser Festwochenende ein. Nach den offiziellen Grußworten, einem Vortrag über unsere Vereinsgeschichte und Entstehung, die Ehrungen langjähriger Mitglieder und dem Abendessen mit traditionelle Speisen, unter anderem mit Sauerkraut, folgte das gemütliche Beisammensein. Unser Brauchtumsabend am Samstag fand bei Zünften aus nah und fern regen Anklang. Zusammen mit örtlichen Vereinen wurde die Halle und ein großes Zeltdorf bewirtet. Der Abend wurde mit Tanzauftritten und Darbietungen der Musikgruppierungen bereichert. Den Abschluss unseres Festwochenendes bildete am Sonntag die Narrenmesse in der Kirche „Maria Hilfe der Christen“ in Goldscheuer mit musikalische Umrahmung der Driewili Stampfer aus Friesenheim. Im Anschluss folgte der große Jubiläumsumzug mit insgesamt 56 Gruppierungen, bestehend aus befreundeten Zünften, Vereine aus dem Ortenauer Narrenbund ONB, dem Verband Oberrheinischer Narrenzünfte VON, der Schwarzwälder Narrenvereinigung und aus den umliegenden Gemeinden. Bei strahlendem Sonnenschein fand unser Jubiläum einen wunderschönen Ausklang.
2019 haben wir die Einzelfigur mit roten Blättern aus der Taufe gehoben. Diese symbolisiert das Rotkraut, dessen Anbau ebenfalls wichtiger Bestandteil der Ortschaft war. Diese Einzelfigur wird von unserem Zunftmeister getragen.
Auch 2019 feierten wir unser 40. Sauerkrautfest und das natürlich in einem ganz besonderen Rahmen. Im bis unter die Zeltplanen voll besetzten Festzelt spielte damals die Homberle Bläch Bänd aus Steinach auf. Die Stimmung der „Feschdgäschde“ war gigantisch und das Festwochenende etwas ganz besonderes.
Neben diesen großen Veranstaltungen kümmert sich die Narrenzunft auch um den Erhalt der heimischen Fasnacht. Am Schmutzigen Donnerstagmorgen werden die Schule, unsere beiden Kindergärten und das Rathaus gestürmt. Am Abend geht es dann nach dem Narrenbaumstellen ins alte Schulhaus. Hier wird vom Narrenkeller, wo die Krutblättsche auflegen, über das Erdgeschoss beim Heimatverein bis zum „Rode Kriz“ im Dachgeschoss das schwofen und feiern gepflegt. Eine Veranstaltung, die sich bei der einheimischen Bevölkerung wachsender Beliebtheit erfreut, kann doch auf den PKW verzichtet werden.
Bedingt durch Corona mussten wir im darauffolgenden Jahr wieder ganz klein anfangen. Durch unser Motto „geht nidd, gibt’s nidd“ lassen wir uns nicht unterkriegen und stellen immer wieder etwas auf die Beine. Sonder-Sauerkrautfest mit Abholservice und kleinem Vor-Ort-Zelt, Kinderrallye mit verschiedenen Stationen für alle Familien die Spaß dran haben, Fasnachtseröffnung im Freien…
Ja, was damals 1972 mit 12 Gründungsmitgliedern begann, wuchs über die Jahre stetig heran. Heute zählen wir eine Gesamtmitgliederanzahl von 165, davon sind 60 aktive Mitglieder und 8 Kinder.
Fortsetzung folgt…